Schule
Klassenkasper erhält therapeutsche Hilfe
Einrichtung in Magdeburg betreut Problemkinder
Von ANTJE KLIMMEK
Magdeburg/dpa. "Der Dreka tsit den Fakn", schreibt das Kind mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Der gesunde Mitschüler hört den selben Satz und schreibt: "Der Trecker zieht den Wagen." Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche haben keine Vorstellung davon, wie ein Wort richtig aussieht. Oft vergessen sie Buchstaben vertauschen sie oder schreiben ähnlich klingende Schriftzeichen.
Kinder mit LRS-Problemen fallen den Lehrern nach Aussagen von Experten entweder zunächst nicht auf, weil sie sich zurückziehen. Oder sie verfallen ins andere Extrem: Sie spielen beispielsweise den "Klassenkasper". An 43 Grundschulen im Land bekommen Schüler mit LRS in speziellen Förderklassen Hilfe.
"Außerdem widmen sich die Lehrer diesen Kindern in mehreren hundert Stunden im Schuljahr mit dem sogenannten integrativen Förderunterricht", sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Bei einer deutlich ausgeprägten Schwäche ist jedoch auch eine Einzelförderung außerhalb des Unterrichts nötig. Die einzige pädagogische Einrichtung in Sachsen-Anhalt, die Kinder und Jugendliche mit LRS, Rechenschwäche und Aufmerksamkeitsstörungen betreut, ist nach eigenen Angaben die "Pädagogisch Therapeutische Einrichtung" in Magdeburg.
"Bei vielen wird erst in der vierten oder fünften Klasse festgestellt, dass irgend etwas nicht stimmt."
MARION WIESKE PÄDAGOGIN
Diplom-Pädagogin Marion Wieske betreut derzeit 25 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 16 Jahren. Es sei von Vorteil, wenn die Kinder so jung wie möglich kämen. ,Bei vielen wird erst in der vierten oder fünften Klasse festgestellt, dass irgend etwas nicht stimmt", ,erklärte die 40-Jährige. Oft hätten sie seitenweise Texte auswendig statt lesen gelemt, eine Tortur des Übens hinter sich und würden von ihren Mitschülern ausgelacht.
In den Sprechstunden fördert Wieske die Konzentration und Merkfähigkeit ihrer Patienten. Autogenes Training und Yoga sollen dabei helfen. Dabei arbeitet sie eng mit Schulpsychologen, Psychotherapeuten und anderen Spezialisten zusammen. "Haben die LRS-Betroffenen Schwierigkeiten beim Sprechen, überweise ich sie zum Beispiel auch zum Logopäden."
Ziel sei es, die Kinder an das Klassenniveau heranzuführen und gegen die Außenseiterposition zu kämpfen, betont Wieske. Der Erfolg der pädagogischen Hilfe zeige sich nicht so sehr in Zensuren, sondem wenn Kinder wieder gerne in die Schule gingen. Bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen wolle sie erreichen, dass sich die Betroffenen schriftlich ausdrücken können, also die 100 häufigsten Wörter fehlerfrei schreiben können.
Wie viele Kinder an LRS leiden, kann nur geschätzt werden. Es gibt keine verlässlichen Zahlen", sagte Elmar Scheibel von der Pädagogisch Therapeutischen Einrichtung in Stuttgart. Die Schwäche sei noch nicht sehr lange bekannt, zum anderen stünden keine ausgereiften Tests für die Diagnose zur Verfügung. Schätzungsweise zehn Prozent aller Grundschüler seien von LRS betroffen. Sie fallen vor allem durch ihre schwache Leistung beim Übertragen von gesprochenen Lauten in die Schriftsprache auf.
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