Kinder- und Jugendhilfezentrum
Helfende Hande sind da
Tag der offenen Tür im Vogelgesang - Diskussion mit Gästen aus Bad Kreuznach
Von ANKE LEHMANN
Aschersleben/MZ. Für die Erzieher des Kinder- und Jugendhilfezentrums war es eine ungewohnte Situation. Zu sechst knieten sie auf dem Boden und balancierten eine Stange auf ihren Zeigefingem. Eine Erfahrungsübung, die sonst mit Jugendlichen gemacht wird. Aufgabe ist es, die Stange gemeinsam auf dem Boden abzulegen, ohne das ein Teilnehmer den Kontakt zu ihr verliert. Beim vierten Mal hatten die sechs Pädagogen den Dreh raus und die Erfahrung gemacht, dass sie sich aufeinander einstellen müssen, damit die Sache gemeinsam gelingt.
Für Erzieher keine bahnbrechende Erkenntnis. Für Jugendliche aber, die schon so weit ins Abseits der Gesellschaft geraten sind, dass ihnen nicht mehr bewusst ist, dass links und rechts noch helfende Hände sind, ist diese übung ein Anfang.
Frank Schümann und Siggi Henning, Sozialarbeiter im Jugendgemeinschaftswerk des Internationalen Bundes (IB) in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz), waren nach Aschersleben gekommen, um mit den Pädagogen Erfahrungen in der sozialen Gruppenarbeit mit jugendlichen auszutauschen. Die Übung mit der Stange war Teil ihres Referats. Anlass für den Besuch war der Tag der offenen Tür des Ascherslebener Kinder- und Jugendhilfezentrums.
Geschäftsführerin Ines Kühnel hatte Vertreter der Stadt, des Jugendamtes, der Polizei und der Jugendgerichtshilfe zu einer Führung durch die drei Häuser der Einrichtung eingeladen. Der Geschäftsführer des Internationalen Bundes, Dr. Gero Kerig, würdigte die seit 1998 geleistete Arbeit.
In einem kurzen Referat umriss Kerig die neuen Herausforderungen, denen sich ein Wohlfahrtsverband wie der Internationale Bund in Zukunft stellen muss. Die Kriminalität und Armut unter Kindern ist ansteigend. Die traditionellen familiären Bindungen greifen nicht mehr so wie noch vor Jahren. Die Gesellschaft befinde sich im Umbruch. Darauf müsse auch die Jugendhilfe reagieren. Es müssten differenzierte Konzepte für jeden Sozialraum erarbeitet werden. Es gäbe keine allgemein gültigen Erziehungsmodelle mehr, die überall gleich anwendbar sind.
Ein solches, auf die Bedürfnisse der Jugend in Bad Kreuznach abgestimmtes Konzept haben Frank Schümann und Siggi Henning entwickelt. Sie wollten vor acht Jahren weg davon, den Jugendlichen eine "Normalbiografie" überzustülpen. Vielmehr sollten die jungen Leute die Möglichkeit bekommen, ihre Bedürfnisse selbst zu formulieren. Sie trafen sich in Bad Kreunach zuerst auf einer Wiese und dann in einer alten Lagerhalle mitten in der Stadt. Die Betreuer nahmen sich Zeit. Oft ergaben sich durch zufällige Situationen Zugänge zu denProblemen der Jugendlichen.
Die Erzieher, die Vertreter des Jugendamtes, der Stadt und Jugendgerichtshilfe, sowie zwei Streetworker lauschten dem Erfahrungsbericht der beiden mit großem Interesse. Im Jugendhilfezentrum im Ascherslebener Vogelgesang wird neben intensiver stationärer Betreuung auch ambulante soziale Gruppenarbeit angeboten. Die Einrichtung führt ebenfalls den sozialen Trainingskurs durch, eine Auflage des Gerichts für jugentliche Straftäter.
Von dem Erfahrungsaustaussch erhoffen sich Ines Kühnel und ihr Team neue Impulse für die eigene Arbeit. Frau Kühnel äußert sich zuversichtlich, die derzeitigen Angebote stabilisieren zu können und feste Standards für die Jugendarbeit zu entwickeln. Ob es ein eigenes Konzept geben wird, werden die kommenden Jahre zeigen.
Download des Artikels als 150 dpi-Scan (113 kByte) aus der (Mit freundlicher Genehmigung der MZ)
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